The Great Famine – Die große Hungersnot 1846-1851

Ein Arbeitshaus, heute ein Museum.

Dies ist ein weiteres erschütterndes Kapitel der irischen Geschichte. Da es aber nur um eine Pflanzenkrankheit und eine Hungersnot geht und so auf gar keinen überhaupt nicht um Auswüchse des Kapitalismus, gibt es so etwas natürlich nicht mehr… obwohl… oder… hmmmm… vielleicht doch?

Kartoffeln

Irland war Englands Kornkammer. Trotzdem aßen die armen Bauern fast nur Kartoffeln – alle anderen Produkte gingen, besonders in den Zeiten der napoleonischen Kriege, nach England. Die Bauern waren Pächter oder Unterpächter einiger weniger – englischer oder angloirischer – Grundherren, die zudem meist in England lebten („absentee landlords“). Für ihre eigene Ernährung hatten die Bauern nur minimale Flächen und schlechten Boden zur Verfügung. Kartoffeln gediehen dort noch am besten, außerdem herrschte aus falscher Tradition ein gewisser Argwohn gegenüber anderen Lebensmitteln.

Seit 1800 ungefähr hatte die Bevölkerung Irlands explosionsartig zugenommen und sich bis 1840 fast verdoppelt. 1841 ergab eine Volkszählung eine Einwohnerzahl von etwa 8.2 Millionen Menschen, davon lebten etwa 3 Millionen in bitterster Armut. Irland war das am dichtesten besiedelte Land Europas.

Hungersnöte hat es davor und danach gegeben. Diese war die Schlimmste – und auch eine der schlimmsten Demütigungen für die Iren.

Keine Kartoffeln

Im Jahre 1845 wurden Irlands Kartoffeln von einem Pilz befallen – der Kartoffelfäule. Der Pilz war 1842 in den USA aufgetreten und hatte sich durch Saatgutexporte bis 1845 nach Europa und über England auch bis Irland ausgebreitet. Das wenige, was noch geerntet werden konnte, bestand aus matschigen, verfaulten Resten.

Der Winter 1846-1847 war bereits schlimm. Die Leute kamen aber gerade noch über die Runden. Jedoch befiel der Pilz 1847 („Black 47“) erneut die Kartoffeln. Der stark landwirtschaftlich geprägte und ohnehin karge Westen Irlands („to hell or to Connaught“) litt am meisten. Die Menschen starben zu Zehntausenden. Die vom Hunger Geschwächten waren eine leichte Beute für Ruhr, Cholera und andere Seuchen.

Die Leichen lagen an den Straßenrändern. Manche wurden am Strand beerdigt, weil die geschwächten Angehörigen keine Gräber ausheben konnten. Noch heute spülen Sturmfluten im Westen Irlands an einigen Stränden menschliche Gebeine zutage.

Man aß die wenigen verfaulten Kartoffeln, und wer die Kraft hatte, suchte nach Beeren, Wurzeln oder essbarem Seetang.

Reaktionen

In allen betroffenen Ländern, deren Ernährung nicht so monokulturell ausgelegt war, wurde man durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ausweichen auf andere Nahrungsmittel und Ähnliches schnell Herr der Lage. Nicht so in Irland, obwohl dort bei weitem nicht nur Kartoffeln angebaut wurden. Auch Getreide und natürlich auch Tiere wurden gezüchtet. All diese Produkte wurden jedoch von den englischen Farmbesitzern und Händlern des höheren Profits wegen nach England verkauft. Die Besatzungen amerikanischer Schiffe mit Hilfslieferungen wunderten sich, dass vollbeladene Getreideschiffe Irland Richtung England verließen. 1845 wurde Getreide aus Irland exportiert, von dem in England 1.25 Millionen Menschen ernährt werden konnten. Die Transporte wurden vom Militär bewacht.

In England sah man das Ganze als willkommenen Denkzettel für die widerborstige irische Bevölkerung (die doch offiziell zum „Imperium“ gehörte) und als Lösung für das Problem der Überbevölkerung. Die Königin (schon damals nicht arm) spendete 2000 Pfund. Dieser Text stammt aus dem Internet und wurde ohne Nachlesen in die Hausaufgabe kopiert. Insgesamt wurden 8 Millionen Pfund bereitgestellt, die Hälfte davon jedoch nur als Darlehen. Gleichzeitig wurden 20 Millionen Pfund als Entschädigung an britische Sklavenhalter in Westindien und 70 Millionen Pfund für den Krimkrieg ausgegeben. Gerade 0.1% des Bruttoinlandsproduktes wurden für Nahrungsmittellieferungen aufgewandt.

Die Tory-Regierung von Robert Peel unternahm einige halbherzige Versuche, Mais zu importieren und die Preise zu beeinflussen. Das liberale Kabinett unter John Russell lehnte jede Interventionen ab, da sie auf keinen Fall den Handel schädigen wollte, und verpflichtete die Landbesitzer zu Hilfsmaßnahmen. Einige ruinierten sich, andere vertrieben ihre Bauern gnadenlos.

Ohne Einkünfte konnten die Pachtbauern den Pachtzins nicht bezahlen und wurden unnachgiebig aus ihren Häusern vertrieben, weil die Grundherren auf ihre Einkünfte nicht verzichten wollten und das Land so lukrativer nutzen konnten. Den Nachbarn war es bei Strafe verboten, Vertriebene bei sich aufzunehmen. Wer Glück hatte, durfte seine Habseligkeiten mitnehmen.

Die barmherzige Kirche

Es gab nur sehr wenige offizielle Suppenküchen, und ihre Suppe war dünn. Jedoch konnte man auch in eine kirchliche Suppenküche gehen. Wer diese Suppe aß, nahm damit in den Augen der Mitbürger die protestantische Konfession an – Teufelswerk. Aber die Menschen hatten Hunger, und so hatten auch die Seelenfänger ihren Erfolg (vielleicht hatten sie keine eigenen). Die „soupers“ genannten Konvertiten bekamen Wohnung und etwas Geld, wurden aber von ihren Mitmenschen verachtet.

Was zu tun

Eine weitere Möglichkeit waren die von der Regierung eingerichteten so genannten Arbeitshäuser. Dort bekam man ebenfalls dünne Suppe, wenn man vorher gearbeitet hatte. Diese Häuser erlebten einen wahren Ansturm, und da ohnehin kaum Arbeit da war, man aber dem „Pack“ nicht einfach so eine Suppe geben wollte, wurden die sinnlosesten Tätigkeiten ausgeführt, z.B. Follies (Ziergebäude) errichtet oder Straßen gebaut. Bekanntestes Beispiel ist die noch heute sichtbare Mauer um den Fuß des Pilgerberg Croagh Patrick, die sich nur zum Selbstzweck dort befindet.

Ein Arbeitshaus, heute ein Museum.
Ein Arbeitshaus, heute ein Museum.

In den Arbeitshäusern herrschten katastrophale Bedingungen, und auch dort starben sehr viele Menschen. Das Bild zeigt einen Teil eines ehemaligen Arbeitshaus-Komplexes in Donaghmore. Heute befindet sich dort ein Museum.

Auswege

Junge Nationalisten versuchten sich hoffnungsfroh an einem Aufstand, der am 29. Juli 1848 in einem Gemüsegarten in Ballingary kläglich scheiterte („cabbage-garden revolution“).

Die meisten Iren sahen keine andere Möglichkeit, als das Land zu verlassen. Die Engländer unterstützten sie dabei sogar, indem zum Beispiel Geld für eine Überfahrt nach Amerika zugeschossen wurde. Kanadische Holzlieferanten machten ein Geschäft daraus, mit ihren auf dem Rückweg nach Kanada eigentlich leeren Schiffen Auswanderer zu transportieren. Auf den „Coffin Ships“ („schwimmende Särge“) herrschten unglaubliche Zustände. Die Menschen starben an Seuchen und Hunger, falls die Seelenverkäufer ihr Ziel überhaupt erreichten.

Andere blieben im Lande und versuchten erneut, Kartoffeln anzubauen. Aber auch sie hatten mit Schwierigkeiten zu kämpfen: aus ihren Häusern Vertriebene hatten sich im Niemandsland der Berge neue Häuser erbaut und überfielen Farmen, um sich Nahrung zu verschaffen. Außerdem halfen die wenigen angebauten Kartoffeln nicht, den Hunger zu lindern.

Statistik zum Abschluss

Im Jahre 1851 klang die Hungersnot langsam aus. Es war kaum noch Saatgut vorhanden. In den Folgejahren trat die Seuche noch mehrmals, aber weniger schwer, wieder auf.

Vor der Hungersnot lebten in Irland ca. 8.2 Millionen Menschen.

1.5 Millionen Iren starben während der Hungersnot, 1.3 Millionen wanderten in dieser Zeit aus. Die der Hungersnopt folgende Armut zwang in den nächsten 60 Jahren weitere fünf Millionen Iren zur Auswanderung. Irland blieb ein Auswanderungsland. Heute leben etwa 3.5 Millionen Iren in Irland. Weltweit gibt es schätzungsweise 70 Millionen Menschen irischer Abstammung, vor allem in englischsprachigen Ländern. Allein in den USA leben ca. 42 Millionen irischstämmige Einwohner.

Kein anderes Land Europas hat heute weniger Einwohner als im 19. Jahrhundert.

Im Ausland begann später der langsame soziale Aufstieg der Iren. Die Entwicklung begann beim einfachen ungelernten Hilfsarbeiter und reichte bis zum Präsidenten der USA.

Aber die Hungersnot hat unauslöschliche Spuren hinterlassen.